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Eine Frau, die den Rahmen ihrer Zeit sprengte

Bild: Wikipedia

Würde sie heute leben, wäre Katharina von Bora wohl als taffe Business-Managerin zu bezeichnen. Ihr berühmter Ehemann, der Reformator Martin Luther, hatte wenig Talent, was Finanzen und  Verwaltung anbetrifft. „Ich habe eine wunderliche Haushaltung, ich verzehre mehr als ich einnehme“, schreibt er 1542 in seinem Testament.

Er hat ausgerechnet, dass den 300 Gulden, die er jährlich von seinem Landesherrn Johann dem Beständigen und einigen anderen Unterstützern erhält, beinahe doppelt so hohe Kosten für sein alternatives Wohnprojekt gegenüberstehen. Im Haushalt der Familie Luther im ehemaligen Kloster Wittenberg leben neben den sechs eigenen Kindern noch Pflegekinder, Studenten und Bedürftige.

Selbstbewusst und selbstständig

Katharinas zupackende Art kommt dabei zum Tragen. Obwohl Frauen zur damaligen Zeit nicht geschäftsfähig waren und einen Mann oder Vormund brauchten, versinkt sie nicht in Passivität. Sie braut selber Bier, keltert Wein, sie kauft Gärten und legt Teiche an, in denen sie Hechte, Forellen und Karpfen züchtet. Sie ist selbstbewusst und gestaltet ihr Leben selbstständig, trotz des engen gesellschaftlichen Rahmens ihrer Zeit.

Martin Luther nennt sie respektvoll „Herr Käthe“, denn sie übernimmt souverän all jene Aufgaben, die sonst nur Männern zugetraut wurden. Seine Theorie vor ihrer Heirat  im Jahr 1525: „Frauen sollten leicht zu biegen sein, wie Weinstöcke.“ kann er in der Ehe nicht mehr weiter verfolgen: „Wir haben doch sonst kein Friede, wir lassen sie dann recht haben.“

Herkunft

Katharina stammt aus einer Familie des sächsischen Landadels und wurde nach allgemeiner Überzeugung am 29. Januar 1499 geboren. Dies ist zwar urkundlich nicht belegt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass ihr Vater sie Ende 1504, also im Alter von nur fünf Jahren, zur Erziehung in das Augustinerinnen-Chorfrauenstift St. Clemens nach Brehna gab. Im Zisterzienserinnnenkloster Marienthron in Nimbschen in Grimma, wo auch ihre Tante Margaretha von Haubitz, die Äbtissin des Klosters, lebte, lernt sie Lesen, Schreiben, Singen und etwas Latein. Weiterhin lernt sie dort auch die betriebswirtschaftlichen Abläufe der Landwirtschaft kennen.

1515, zum frühestmöglichen Zeitpunkt, legte sie ihr Gelübde als Nonne ab. Auch in diesem Bereich zeigt sich Katharina als autonome und willensstarke Frau. Sie bekommt die Schriften der Reformatoren in die Hände, befindet sie für gut. Konsequent setzt sie die neuen Erkenntnisse in ihrem Leben um … und  verlässt mit einigen anderen Nonnen unter abenteuerlichen Umständen das Kloster. Völlig mittellos gelangt sie nach Wittenberg. Es ist überliefert, dass sie es ist, die zuerst den Wunsch äußert, Martin Luther heiraten zu wollen und nicht er. Mut und Durchsetzungskraft hat sie bereits bei ihrer Flucht gezeigt, denn es gibt für sie kein Zurück mehr in die Familie.

Partnerin und Vorbild

Über die hauswirtschaftlichen Aufgaben hinaus, die sie souverän bewältigt, schätzt Luther sie sehr als Gesprächspartnerin in theologischen Fragen. Ihr Briefwechsel zeigt, dass er seine bibelkundige Frau in aktuelle Diskussionen miteinbezieht – eine frühe Form von „partners in ministry“. Sie ist die einzige Frau bei den berühmten Tischgesprächen  – wenn auch ihre Beiträge nicht erhalten geblieben sind. Ihr Mut und ihr Selbstbewusstsein in der männerdominierten Welt der Frühen Neuzeit machen Katharina von Bora zu einem Vorbild und faszinieren bis heute. Die Gastfreundlichkeit des Ehepaars Luther wird darüber hinaus zum Vorbild für viele Generationen protestantischer Pfarrhäuser, die diesem Beispiel folgen.

Würdigung bis heute

Die Stadt Torgau würdigt diese starke Frau seit 2011 mit der Auslobung des „Katharina  von Bora-Preises“, der an Frauen vergeben wird, die sich durch besonderes Engagement hervorgetan haben. Und die Deutsche Post widmete ihr 1999 zu ihrem 500. Geburtstag eine Briefmarke – nach einem Gemälde von Lucas Cranach d.Ä. Die abgebildete Skulptur, von der Bildhauerin Nina Koch gestaltet, stellt Katharina, wie ich finde, sehr treffend dar, eine Frau, die den Rahmen, den ihr Zeit und Umstände gesetzt hatten, sprengte und die mutig ihren Weg ging.

Petra Thalmann, März 2021